News
Siege fallen nicht einfach so aus dem Himmel und auch nicht aus allen Wolken. Da fallen nur Redensarten raus und enttäuschte Gewissheiten. Nicht einmal wenn die Apokalypse eine Panikattacke hat, fallen Siege aus allen Wolken, die am Himmel gemächlich dahin trudeln und unbewohnt im Trauerflor über die Ägäis ziehen, in ein anderes großes Leben nirgendwo. Kriegt die Apokalypse keine Luft fallen nur Frösche raus, und Obergrenzen, während Haie stricken lernen und ich in einer aus allen Fugen geratenen Welt einen Rhetorikkurs besuche, oder das Antanzen lerne für die bald anstehende Ü50-Party. Da stehen wir Ü-50 Helden dann mit einem Gesicht voller Leben, in Niedergeschlagenheit gezeichnet und Besserwisserei gemalen. Trotzdem geben wir uns Mühe es anders aussehen zu lassen, leichter, vielleicht sogar besser, oder anders unverändert, mit einem 1/8 Rotwein in der Hand. Und das ist es was auch zählt, neben den gewonnen Spielen, Sätzen, Punkten und trotzigen Verirrungen, mit denen man beim Morgensport seine Kniebeugen macht.
Für Siege musste schon was tun, die fallen dir nicht so einfach zu wie die Gunst eines Publikums, das alles glaubt was es hören will, bis es was anderes hören will und dann stehste da auf verlorenem Posten, dem Irrtum anheimgefallen bedeuten zu sein, ist alles nur geliehen, oder die Gnade der Geburt, die dann dein Schicksal Bilder stapeln lässt, bis die Welt dich aus einem Zug holt und die Weltgeschichte dein kleines Leben aus dem Rahmen wirft wie einen Schwarzfahrer aus dem Zug, und mich zwingt, „Zwei Reiter am Strand“ nach meiner Provenienz zu befragen. 1. Landesliga, sagt ihnen das was, Spitzenbegegnung im Wiener-Badminton, eine Alles oder Nix-Partie, Meister oder nicht-Meister war die Frage, die es zu beantworten galt. Und eines kann ich ihnen versprechen, diese Frage wurde beantwortet, schön konkret und leicht verständlich. Da steppte der Bär, da duellierten die Engel, da drückte die Ziehharmonika die letzte Zigarette aus, da hielt auf der Streif die Steilhangausfahrt den Atem an, da blieb die Zeit dem Sekundenzeiger im Mund stecken und die Steinkohle im Berg, sogar Patronen blieben in den Gewehrläufen, die eh vor Anstrengung kaum noch Luft kriegen, da vergaßen die Zellen zu altern und die Blumen zu verwelken, da hörten falsche Propheten auf zu spotten, und der gehobene Zeigefinger ging in Zeitausgleich. In so einer Alles-Nix-Partie ist jeder einzelne Punkt vorentscheidend, da wird jede gelungene Abwehr mit der man zum Angriff übergeht ein Must-have, da bringt jeder Outball die Passatwinde zum Erliegen, und jeder Smash die Gehzeiten zum Schwitzen, und ein einziger Kniefall hat den Charme und die Grazie, den Mond aus seiner Umlaufbahn zu werfen.
Da musste sogar ich mich aus meiner liebgewonnen Lethargie stemmen und unbedingt hin um dabei zu sein, ein angegrautes Fossil aus verwaisten PRA-Tagen, von den müden Knochen längst aufs Abstellgleis geschoben. Ich hab es ja nicht mehr so mit Rumpfstabilität, mir geht es jetzt schon mehr um Inkontinenz und ein Schnürchen um den Hals, damit ich meine Lesebrille nicht verlege, dabei ist Rumpfstabilität das Schnürchen im Badminton. Ohne Rumpfstabilität kein Talent, das geht dir sonst sehr schnell aus wie einst dem Montoya die Straße. Und der Abend hielt was er versprach. Es gab ein 26:24 im Dritten und schon war das Trauma aus eigener Kraft überwunden, bleiben die 70 Euro die man sonst beim Psychiater abdrücken müsste schön in der Tasche, es gab eine sensationelle Niederlage, und Trinkgeld für die nette Frau an der Rezeption, damit die nicht einfach das Licht abdrehte wie eine zornige Göttin. Es gab Emotionen, ganz ohne gespielter Choreografie, tausendfach vor dem Spiegel des Narziss eingeübt wie eine Rolle, im Sport fällt jeder früher oder später aus seiner Rolle, fällt für einen Moment auf sich zurück und wird dadurch einzigartig. Und in der 1. Wiener Landesliga ist noch alles echt, sogar ich schreie da nur im Dialekt herum (kumm, kumm), es gab Zuspruch, Aufmunterung und Hoffnung auf ein anderes Syrien, und vor allem gab es Sport, ganz ausgezeichneten Sport sogar, eine ganze Halle voll bis rauf zur Decke. Da kamen sogar Hobby-Spieler angewackelt, mit verschwitztem Staunen im Gesicht. Es gab alles und es gab nichts hat mal ein alter Dichter gesagt. Und die Kinder vom VRC, die sich erfolgreich dagegenstemmten von der Revolte gefressen zu werden, versuchten wirklich alles um URW doch noch vom Thron zu stoßen, wie einst die Romanows durch eine Pistolenkugel im fernen Sarajewo. Es half alles nichts. Kein Trick, keine Finte, kein noch so freundliches Getue, da war nix mit rechts antäuschen und links vorbeiziehen, oder dem Wagen mit dem Thronfolger nach einem gescheiterten Attentat, gleich noch durch die ganze Stadt nachzujagen, damit sich die Weltenmacher neue Grenzen ziehen an denen jetzt noch gelitten wird. Nicht an diesem Abend. Entschlossenheit kann man nicht kaufen, die muss man haben. Entschlossenheit fällt nicht einfach so aus dem Himmel und der VRC wegen einer Niederlange nicht aus allen Wolken. Da fallen nur Redensarten raus und enttäuschte Gewissheiten. Es war ein schöner, sportlich-fairer Abend. Es hat mich sehr gefreut.
In diesem Sinne J.H.
Für diejenigen die jetzt noch weniger als Bahnhof verstanden haben: VRC1 hat 3:5 gegen URW1 verloren. VRC2 konnte gegen URW2 ein Unentschieden holen.